Monday, December 1, 2025

Besprechung -Mørkeskye-Fanzine / Ausgabe 21

Nun also zur Nummer 21 des Mørkeskye, auf dessen Frontcover Abigor vor einem Wasserfall posieren. Nach einem ausführlichem Vorwort unter dem Aspekt von (möglichen) Diskursverschiebungen, geht es schon los mit Broken Pillars aus dem Iran, genauer gesagt aus der Hauptstadt Teheran. Hier besteht die Gefahr für Metal-Musiker, allein durch das Spielen der Musik und Szenezugehörigkeit staatlichen Schikanen und erheblichen Strafen ausgesetzt zu sein.  Eine Situation, die für in westlichen Demokratien aufgewachsene Menschen gleichsam undenkbar und unwirklich erscheint. Ich erinnere mich noch an ein Interview, das ich mit Creative Waste aus Saudi Arabien führte, bei dem ich mir auch nicht ganz sicher war, was und wie detailliert die Musiker antworten können unter dem Aspekt der eigenen Sicherheit bzw. Überwachung. Wie dem nun sei, den Namen Broken Pilllars hatte ich vorher noch nie vernommen; ein interessantes Interview, in dem eben diese staatliche Kontrolle und Bevormundung thematisiert wird, aber auch über das antike Vermächtnis des Irans gesprochen wird, konkret am Beispiel der Ruinen von Persepolis. Mittlerweile haben die beiden Musiker nicht nur die hier als Ausgangspunkt dienende 2-Track EP "Od Pillars & Primordial Myth" veröffentlicht, sondern ein im vergangenen August veröffentlichtes Album namens "Ghosts of the Persian Gulf", welches wie im Interview angekündigt, eher traditionelleren Black Metal-Klängen ähneln wird und folglich geschwindigkeitsmäßig eine ganze Schippe zugelegt hat im Gegensatz zur teils doomigen Debüt-EP, was der Band aber sehr gut zu Gesicht steht. Toller Beginn des Heftes mit einem interessanten Newcomer!

Anschließend steht auch schon Thomas Tannenberger von Abigor Rede und Antwort. Hier ist zu beachten, dass dies der unveröffentlichte Teil des Abigor -Interviews aus dem Deaf Forever Nr. 59 ist, geführt von Björn Thorsten Jaschinski. Dieses Interview wurde noch geführt, bevor Peter Kubik sich entschloss, seinem Leben ein Ende zu setzten und wirkt deshalb in gewisser Weise etwas unwirklich bzw. tragisch, in Ermangelung besserer Attribute. Dem Interview ist ein Nachruf auf Peter Kubik von Matthias Jell von Gràb / ex-Dark Fortress vorangestellt. Das Interview selbst ist ein echtes Highlight, trotz aller möglichen inhaltlichen Differenzen kann  niemand abstreiten, dass Tannenberger zu den wohl reflektiertesten und interessantesten Gesprächspartnern der Szene gehört, dessen Interessen weit über (Black-) Metal hinausgehen und der über ein breites  und tiefes Kunstverständnis verfügt. Interessant hier auch die Schilderung Österreichs zu Beginn / Mitte der 80er Jahre als wohl absolute Metal - "Diaspora" und das Aufwachsen und Agieren der jungen Musiker in solche einem Umfeld, das viel pragmatischere Lösungen verlangte. Schmunzeln musste ich bei der Schilderung von Tannenbergers Begegnung mit dem deutschen Bürokratismus, genauer gesagt ging es um Bildabzüge im Rahmen der Recherche zu Tänzen zu Beginn des letzten Jahrhunderts, welche auch Eingang in der visuellen Gestaltung des letzten Albums "Taphonomia Aeternitatis" fanden. Während man sich in Wien über das unerwartete Interesse an den alten Aufnahmen freute, ging es in einem Kölner Archiv sehr viel komplizierter und gemächlicher zu, die Anfrage wurde von einer Instanz zur nächsten weitergereicht, bis schließlich eine umständliche Genehmigung erteilt wurde. Wundert mich aus eigener Erfahrung heraus, als ich noch in Köln wohnte, kein bisschen, hier hieß die Maxime, auch den Berichten anderer folgend, oft "so wenig Service wie möglich, so viel Service wie gerade nötig". Aber Hauptsache, die Stadt Köln gewinnt in diesem Jahr einen Preis in Sachen guter Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, quasi einen "Michelin-Stern" der Behörden; das ist tatsächlich passiert und keine Ironie, da reicht heute schon ein "toller" TikTok-Kanal und Instgram-Account. Mal wieder ein Beleg für die These, dass Schein heute alles, Sein hingegen nichts ist...Aber wie dem auch sei, auf jeden Fall ein sehr interessantes, tiefgehendes Gespräch, das mit einer früheren Napalm Records- Werbung zu Abigors "Verwüstung / Invoke the Dark Age" und dem Debüt von Visceral Evisceration mit seinem berühmt-berüchtigten Fleischwolf-Cover stilecht aufwartet, das übrigens demnächst von Hmaaerheart Records neu aufgelegt wird.

Weiter geht es mit Gràb, bei denen sowohl Matthias Jell, als auch Dan Capp und Markus Stock, der bei der Band als Gastmusiker fungiert, befragt werden. Gutes Interview! Uprising, ein Soloprojekt von einem Musiker von Waldgeflüster, hat nun das mit schlicht "III" betitelte, dritte (wer hätte das gedacht) Album veröffentlicht und  wartet mit einer dezidiert sozial-ökologischen Message auf, die dementsprechend thematisiert wird, es geht u. a. um Nachhaltigkeit. Sehr interessant finde ich das Gespräch mit den Bonnern von Urisk, welches dazu führte, dass ich mir nun das Debüt doch nochmals anhörte. Das erste Demo erschien mir persönlich beim ersten Reinhören als nicht wirklich kompatibel zu meinen musikalischen Präferenzen, ich empfand es als zu sperrig. Das mag natürlich auch einer kürzer gewordenen Aufmerksamkeitsspanne geschuldet sein, da auch ich nicht von den Auswirkungen des allein bereits online verfügbaren medialen Überangebots verschont bleibe und insofern auch viel stärker selektiere. Auf diese Weise übersieht man bzw. sortiert leider auch oftmals zu früh bestimmte Dinge aus, insofern hat hier das interessante Interview dazu geführt, mich nochmals mit der Band zu beschäftigen, die mir nun deutlich besser gefällt, selbst wenn ich meinen Black Metal immer noch einen Tacker geradliniger bevorzuge. Mission quasi erfüllt! Das nun folgende Interview mit Kryptan führt dazu, dass ich mich demnächst intensiver mit dieser Band beschäftigen muss, nachdem ich natürlich die Lobeshymnen auf das Debütalbum mitbekommen und auch schon ein erstes mich überzeugendes Reinhören getätigt hatte. Valdaudr aus Norwegen hingegen sagten mir bisher gar nichts, ich gebe auch zu, dass ich im Laufe der letzten Jahre etwas den Überblick verloren habe, gute Musik ist es auf jeden Fall! Abo Alsleben, dessen Buch über seine Organisation der damaligen legendären Mayhem-Konzerte ich sehr gelungen  fand,  wird hier anlässlich  seiner (halb-)fiktiven Erzählung im Black Metal-Kontext, die anscheinend nichts für zartbesaitete Gemüter ist, befragt. Das Interview ist gelungen, ich persönlich verspüre aber ehrlicherweise trotzdem keinen Drang, dieses Buch zu lesen, und das liegt nicht an eventuellen drastischen Beschreibungen. Die deutschen Melo-Deather von Night in Gales werden auch in dieser Ausgabe interviewt, wie ich das an dieser Stelle auch getan habe. Tolle Band, erst Recht seit dem Neustart. Diesem Gespräch folgt ein Interview mit der Ein-Mann-Band Atlantic, welche von der irischen Atlantikküste aus ihre Version des naturverbundenen Black Metals zelebriert. Gerade für solch kleine Bands sind Zines wie das Mørkeskye essentiell und toll, dass diese auf diese Weise etwas mehr Beachtung erhalten können! Die Rumänen von Green Prophet geben als nächstes Auskunft, sie spielen psychedelischen Stoner Rock, was nicht meine Sache ist, obwohl ich Kyuss mag. Pia Lüddecke, die schon in Ausgabe 20 im Rahmen des Berichts über eine ihrer Lesungen ihren Platz fand, wird zu ihrem neuesten Buch "Transmission" befragt, in dem es um das Thema Transidentität geht und  das vor den Kulissen des Ruhrgebiets spielt, welches auch die Heimat der Autorin ist. Neben einigen ausgewählten Plattenbesprechungen werden noch Harvst zum Gespräch gebeten, in dem es auch viel um das Thema Veränderung geht. Als letzte Band können die tollen The Great Sea einen Einblick in ihr Schaffen rund um das schwarzmetallische Debütalbum "Noble Art of Destruction" geben.

Nun wird in der Rubrik der Wanderungen und Ausflugsziele der Druidenstein in Kirchen (Sieg) im Westerwald vorgestellt, oder besser gesagt, eine 16 Kilometer lange Wanderung um ihn herum. Diese verdient nun im Gegensatz zum im vorigen Heft vorgestellten, gerade mal drei Kilometer langem Auenlandweg, wirklich die Bezeichnung als  Wanderung. Der ca. 20 Meter hohe, aus Basaltfels bestehende Felsen, der mit ungewöhnlichen prismatischen Säulenformen aufwartet, ist ein beeindruckender , je nach Empfinden mystischer Ort. Ich kann mich noch an meinen damaligen Besuch erinnern, bei dem es auf der Rückfahrt so stark regnete, dass ich trotz Scheibenwischern auf Höchstgeschwindigkeit , kaum noch etwas im Auto sah. Am nächsten Tag las ich, dass in der dortigen Region zahlreiche Keller ob des apokalyptisch anmutenden Starkregens vollgelaufen waren. Auf jeden Fall eine tolle (Wander-) Gegend, in welcher es auch den "Druidensteig" gibt, ein ca 80 Kilometer langer Prädikatswanderweg, der u.a. am Druidenstein vorbei führt.

Unter dem Titel "Trail Them All" in Anspielung auf ein wohl nicht ganz unbekanntes Debütalbum, schildert Thor seine Begeisterung für das Laufen bzw. Trailrunning und bittet dementsprechend andere, ebenso begeistert laufende Metal-Zine-Macher und Blogger zum Interview. Eine tolle und Interessante Idee abseits der geläufigen Pfade (ja, das passt hier im wahrsten Sinne des Wortes...), die er vielleicht weiter verfolgen sollte, es scheint zumindest, dass eine gewisse Korrelation zwischen der Musik, dem Schreiben und diesen sportlichen Aktivitäten bestehen könnte. Auch wenn ich dem Langstreckenlauf nicht so zugetan bin, kann ich die Bewegründe als Ultracycling-Aktiver sehr gut nachvollziehen.

Insgesamt ist dies eine sehr ansprechende Ausgabe, die mir nochmals einen Tacken besser als die vorherige Nr. 20 gefällt. Dies mag auch an der Bandauswahl in stilistischer Hinsicht liegen, vor allem aber habe ich den Eindruck, dass die befragten Musiker teils um einiges auskunftsfreudiger sind. Ich habe jetzt nicht die Wörter gezählt und scanne auch nicht das Heft ein, um eine KI dies erledigen zu lassen, haha, aber bei den meisten Interviews ist das Interesse der Befragten, ihre Kunst darzustellen, deutlich ausgeprägt. Und wie jeder Schreiber aus teils leidvoller Erfahrung weiß, steigt und fällt die Qualität mit dem Engagement der Befragten. Nichts ist schlimmer, als wenn die Antworten teils kürzer als die Fragen sind oder eine Frage nach den Einflüssen mit Ergüssen wie "wir sind beeinflusst von den alten Helden, aber auch von neuer Musik und unserem täglichen Leben" beantwortet wird. Ich fragte mich bei solchen, glücklicherweise seltenen Exemplaren immer, ob es sich um Faulheit, Desinteresse oder Unfähigkeit handelt, die eigene Musik adäquat zu beschreiben. Wie dem auch sei, hier ist glücklicherweise das genaue Gegenteil der Fall, und insofern ist die Nr. 21 ein hochinteressantes Lesevergnügen! Ich bin bereits auf die dieser Tage erscheinende Nr. 22 mit meinen Favoriten von Runemagick gespannt!