Sunday, November 9, 2025

Interview Das letzte Lager


Hassliebe zu Flensburg

Das letzte Lager aus Hamburg spielen tollen, teils groovig-walzenden Death Metal und veröffentlichen nach Ihrem Debütalbum "WürgeEngel"  aus dem Jahr 2022 nun demnächst ihr Zweitwerk namens "Sturm aus Nord". Ein Guter Grund um dem Mastermind der Band, Stefan Frost einige Fragen zu stellen. Insbesondere darf man nach den Ausführungen des Musikers auf das lyrische Konzept der kommenden Veröffentlichung gespannt sein.

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Hallo aus dem Rheinland nach Hamburg! Kläre doch erst einmal die Leser über die Entstehungsgeschichte von Das Letzte Lager auf – das ehemalige als auch das neuere Line-up! Gab es vor dem sozusagen letzten Lager bereits musikalisch bekanntere Aktivitäten, und gab es so etwas wie eine Initialzündung für die Bandgründung?

Hallo Gerald, vielen Dank für die Interviewanfrage. InXen (Drums) und ich, Frost (Stimme, Gitarre, Bass), haben uns 2019 kennengelernt. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einige Jahre nach einem geeigneten Drummer gesucht, bis dato kam keiner für mich so richtig in Frage. Da man als Band viel Zeit miteinander verbringt, ist der menschliche Faktor für mich fast noch ausschlaggebender als die musikalische Finesse. InXen hatte mehrere Jahre pausiert und wollte wieder etwas starten. Wir einigten uns auf Death Metal mit Oldschool-Einschlag, aber mit modernerem Sound. Wir haben uns ziemlich regelmäßig zum Proben getroffen und dann die Songs gemeinsam ausgearbeitet – kein MP3-Hin-und-Her-Geschicke, sondern Treffen, Jammen, Ideen ausarbeiten. Wir hatten in unserer Jugend, in den 90ern, viel Death Metal gehört, also einigten wir uns auf eher midtempolastigen Death Metal mit einigen netten Melodien. Die Initialzündung war für mich, regelmäßig – so wie in meiner Jugend – Death Metal im Proberaum mit einem Freund zu zocken sowie Live-Gigs und professionelle CD-Produktionen zu planen. Das erste Album ist recht schnell entstanden. Wir haben die Ideen alle mit einem alten Zoom-Aufnahmegerät aufgenommen, also quasi unsere Demo, aus der dann später das Album "WürgeEngel" in einer professionellen Aufnahme mit Mix und Master entstanden ist. Wir waren sehr produktiv. Einen geeigneten Bassisten haben wir zu der damaligen Zeit nicht gefunden,  im Studio habe ich den Bass eingespielt. Für unsere Videodrehs hatten wir einen Bassisten dabei, der dann aber leider erkrankte, sodass wir wieder ohne waren. Nach einigen doch sehr ernüchternden Auditions, die sich als reine Zeitverschwendung herausstellten, wollten wir dann auch live als Duo unterwegs sein. Der für das Album eingespielte Bass diente live als Backing-Track – also fetter Sound als Zwei-Mann-Band. Dann kam Corona, und live-technisch lief nichts. Unseren ersten gemeinsamen Gig hatten wir dann im Sommer 2022 auf einem Festival. Es folgten Gigs mit Kanonenfieber, Eisregen, Profanatica etc. 2023 waren wir dann mit zwei befreundeten Bands für zwei Gigs in Sofia und Plovdiv (Bulgarien) unterwegs. 2024 haben wir mit Labelkollegen eine kleine Tour auf die Beine gestellt. InXen stieg bei Das Letzte Lager im Oktober 2024 aus. Wir hatten in dem Jahr viele Gigs gespielt, und er wollte nach dem letzten gemeinsamen Gig komplett die Musik an den Nagel hängen. Er fährt nun lieber in seiner Freizeit voller Stille in Norwegen mit dem Rennrad. Seit diesem Jahr ist Dean als Bassist mit dabei. Den ersten gemeinsamen Gig hatten wir bereits in Köln. 

Euer Debüt „WürgeEngel“ von 2022 bietet ja tollen, groovigen, teils auch überraschend melodiösen Death Metal. Allein der deutschen Texte wegen denke ich – wie auch viele andere, wie ein Blick in die Rezensionen bestätigt – an Bands wie Totenmond, Eisregen oder auch Valborg, teils auch an die alten Eisenvater. Wobei ich den Eisregen-Vergleich am unpassendsten finde, und dieser wohl auch eher wegen der deutschen Texte kommt. Waren und sind diese Bands ein Einfluss? Ansonsten höre ich bei euch eben teils groovigen, teils recht brachialen Death Metal, abseits von Kategorien wie Schweden-Death oder US-Death Metal, und am ehesten noch Bands wie Morgoth, Disbelief oder Benediction heraus. Ansonsten kamen mir noch Morbus in den Sinn, eine Band, die 1999 ihr erstes und einziges Album namens „Leibeigen“ veröffentlichten – sowohl musikalisch als auch wegen der teils deutschen Texte. Kannst du, trotz aller Eigenständigkeit, mit diesen Vergleichen oder Referenzen etwas anfangen, oder was sind und waren eure Einflüsse? 

Bands wie z. B. Totenmond habe ich viel in meiner jungen Erwachsenenzeit gehört und auch einige Male in Hamburg live gesehen. Eisenvater habe ich als Teenager kennengelernt, und einige CDs stehen hier bei mir im Regal. Ich kann mich noch gut an eine Doku erinnern, die Anfang der 90er im öffentlichen Fernsehen über Eisenvater ausgestrahlt wurde (auf YouTube nicht zu finden). Damals wirklich krass – eine solch eigenständig klingende, extreme Band im Fernsehen zu zeigen. Ich habe die beiden Gitarristen zufällig hier in Hamburg nach einem Gig mit meiner damaligen Band (muss so 2001 gewesen sein) am Tresen getroffen und gequatscht. Ein gemeinsamer Gig mit Eisenvater würde mich sehr freuen – ich glaube, die sind aber gerade ohne Drummer. Valborg zogen an mir, bis zur Mantar-Tour 2022, vorüber. Eisregen war nie ein Einfluss von mir, InXen kannte aber einiges von den beiden. Morgoth und Benediction etc. haben InXen und ich viel in unserer Jugend gehört, von daher kann schon etwas unterbewusst in unseren Hirnen hängengeblieben sein, das uns bei unserer Musik beeinflusst hat. Mit Disbelief hatte ich Anfang der 2000er sogar einige Gigs mit meiner damaligen Band gemeinsam. Die deutschsprachige Hamburger Band Richthofen rund um Andy Classen hatte mich in den 90ern mit ihrem Debüt ziemlich geflasht. Was nun genau meine Einflüsse im Einzelnen sind, kann ich nicht genau benennen. Ich nehme meine Gitarre in die Hand und schreibe Songs. Neben den bekannten Metal-Stampfern gehören aber auch z. B. Alice in Chains, Deftones und andere eher szenefremde Bands zu meinen Einflüssen. Ich habe Jerry Cantrell vor einigen Monaten das erste Mal live gesehen – ein hervorragender Musiker und Songschreiber. Den Gitarrenstil von Stephen Carpenter höre ich mir ebenfalls sehr gern an. Ich mag Musiker, bei denen man sofort aufgrund der Eigenständigkeit hört, um wen es sich handelt. 

Waren die deutschen Texte von Anfang an geplant, war das schon immer eine Idee, oder entwickelte sich das erst im Prozess der Bandgründung? Und hattet ihr das Gefühl, dass ihr durch diese Art von gewissem Alleinstellungsmerkmal eher profitiert oder potenzielle Hörer (ob im deutschsprachigen Raum oder Ausland) eher abschreckt? 

Deutsche Texte waren von Anfang an Teil des Konzepts. Deutsch ist meine Muttersprache, von daher war es für mich die richtige Entscheidung, für unsere Musik die deutsche Sprache zu wählen. Die deutsche Sprache fügt sich hervorragend in diese Art von Musik ein. Ein Alleinstellungsmerkmal würde ich hier – in dem Genre, in dem wir uns bewegen – schon bestätigen wollen. Ich glaube eher nicht, dass Hörer im Ausland abgeschreckt werden – ggf. hat man hier sogar einen Exotenbonus. Textlich sind wir eher nicht rein Death-Metal-konform; zum Teil schreibe ich über sehr persönliche Dinge.

Euer Label Danse Macabre ist ja für eine Metalband eher ungewöhnlich – es ist doch eher im Dark-Wave-, Gothic- bzw. Electro-Bereich verortet. Wahrscheinlich haben viele eben die Verbindung zu Das Ich im Sinn, da Labelbetreiber Bruno Kramm ja Teil dieses Duos ist. Auch hier die Frage: Kommt es durch das Label vielleicht dazu, dass euch mal aufgeschlossene Gothics hören und ihr eher den Nutzen seht? Oder würdet ihr auf einem Death-Metal-Label wie FDA Records mehr potenzielle Hörer ansprechen? Ansonsten erinnere ich mich in diesem Kontext auch immer an die Kollaboration von Atrocity mit Das Ich, die ja im gemeinsamen Album „Die Liebe“ mündete. Kennst du das Album?

Das mit Danse Macabre hatte sich 2022 aufgrund der Labelnähe durch eine Band ergeben, mit der ich im Studio und live sieben Jahre unterwegs war. Die Band spielt eher gothic-genretypischen Sound – Elektro mit harten Gitarren und deutschen Spoken Words. Die Band tourte z. B. mit Das Ich, Project Pitchfork, hatte Gigs auf dem WGT etc. Durch die damalige Labelnähe kam es dazu, dass Das Letzte Lager mit dem Debüt bei Danse Macabre erschienen ist. Deutschsprachige Bands – egal ob Metal oder Gothic – sind gern bei Danse Macabre vertreten. Grundsätzlich sind wir anderen Labels gegenüber aufgeschlossen. Ich weiß von den Kollaborationen zwischen Atrocity und Bruno. Das Album „Die Liebe“ kenne ich, favorisiere allerdings andere Alben von  Atrocity. 

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Zum Teil schreibe ich über Erinnerungsfetzen, die sehr lange zurückliegen, und die Gefühle, die mit diesen in der Vergangenheit liegenden Fetzen zu tun haben. Es geht viel um Vergänglichkeit, Veränderung, Hoffnung, Tod und den Schmerz um geliebte Menschen sowie um Zwiegespräche. In erster Linie um Gegebenheiten, die sich in den 90er Jahren abgespielt haben und sich in meiner Heimatstadt Flensburg abspielten. Zu dieser Stadt besteht eine Hassliebe.

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Was können wir vom bald erscheinenden zweiten Album „Sturm aus Nord“ erwarten, gerade auch im Vergleich zum Debüt? Wird es erneut bei Danse Macabre erscheinen? 

Das zweite Album „Sturm aus Nord“ wird düsterer sein als  „WürgeEngel“. Gesanglich tendiere ich nun noch mehr zum Black Metal als noch auf unserem Debüt. Ich zeichne diesmal für alle Instrumente verantwortlich. Die Produktion ist im Alleingang erfolgt und lief nun auch, da ich mich um alle Instrumente kümmern musste, über das komplette Jahr – neben Beruf und Familie. Textlich ist es sehr persönlich. Zum Teil schreibe ich über Erinnerungsfetzen, die sehr lange zurückliegen, und die Gefühle, die mit diesen in der Vergangenheit liegenden Fetzen zu tun haben. Es geht viel um Vergänglichkeit, Veränderung, Hoffnung, Tod und den Schmerz um geliebte Menschen sowie um Zwiegespräche. In erster Linie um Gegebenheiten, die sich in den 90er Jahren abgespielt haben und sich in meiner Heimatstadt Flensburg abspielten. Zu dieser Stadt besteht eine Hassliebe. Musikalisch wird „Sturm aus Nord“ facettenreicher im Vergleich zum Debüt sein – düster, hart, aber auch melodisch und melancholisch. Natürlich beunruhigt auch die weltpolitische Lage, nur haben aktuelle Ereignisse nichts mit den Themen auf dem kommenden Album zu tun. Thema vielmehr ist der Zeitgeist der 90er. Es wird aber wieder einen politisch geprägten Text zu dem Song „Nichts bleibt“ geben, allerdings beruhend auf Erfahrungen, die weit in der Vergangenheit liegen – in Hinblick auf Zwiegespräche. „Sturm aus Nord“ wird nicht über Danse Macabre erscheinen. 

Besonders auch das tolle Cover-Artwork eures Debütalbums besticht durch eine detailreiche und äußerst stimmige Umsetzung des Albumtitels. Können wir mit einem ähnlich tollen Artwork für das neue Album rechnen? Oder wird dies vielleicht auch stilistisch ganz anders ausfallen – gibt es schon Ideen oder Entwürfe? 

Das Artwork wird erneut von Gilbert von Lingua Mortis Art aus Costa Rica angefertigt. Ich war von seiner Arbeit für unser Debüt wirklich mehr als zufrieden. Er zeichnet die Grafiken mit der Hand. Ich gehe bei dem zweiten Artwork ähnlich wie beim ersten vor. Gilbert zeichnet das Cover und die Grafiken zu den Songs – es wird ja wieder ein 12-seitiges Booklet – nach den textlichen Vorgaben von mir. Das heißt, er bekommt die Texte auf Englisch mit dem jeweiligen Sinn der Texte geschickt, darauf beruhen die Grafiken. Einige Fotos, die ich in meiner Geburtsstadt Flensburg geschossen habe, dienen zudem als Grundidee für das Cover. Entwürfe sind noch nicht vorhanden, aber reichlich Ideen. 

Wie sieht es an der Livefront aus? Gibt es bereits bestätigte oder geplante zukünftige Termine, Mini-Touren oder Festivalteilnahmen? 

Ideen habe ich viele – es steht hier aber noch nichts Konkretes.

In welchen Settings fühlt ihr euch am wohlsten? Bevorzugt ihr reine Metal-Shows, oder mögt ihr stilistisch als auch vom Publikum durchmischte Veranstaltungen lieber? 

Wir spielen eigentlich immer Metal-Shows und haben auch Spaß daran. Die meisten Veranstalter gehen natürlich auf Nummer sicher und buchen genreverwandte Bands, um hier eine konkrete Zielgruppe zu erreichen. Ich bin musikalisch aufgeschlossen und würde auch nicht ausschließen wollen, Das Letzte Lager live mit genreuntypischen Bands zu mixen. Wenn es Sinn ergibt, dann sind wir für vieles offen. 

Gibt es eine Band, die ihr unbedingt mal gerne live supporten würdet? 

Bands, die ich gern supporten würde, wären in meinem Fall z. B. Mantar, Behemoth oder Satyricon. Gerade Mantar haben es mir mit ihren ersten drei Veröffentlichungen und ihren puristischen Live-Shows angetan. Behemoth hauen mich live wirklich komplett um – eine ganz andere Energie-Liga. Satyricon höre ich schon ewig, die zu supporten wäre wirklich eine große Ehre. 

Die letzten Worte gehören dir...

Ich freue mich darauf, „Sturm aus Nord“ Anfang 2026 mit unseren Hörern zu teilen. Wer das Debüt mochte, wird diesmal noch tiefer hineingezogen in die Dunkelheit. Danke an alle, die Das Letzte Lager seit dem ersten Album begleiten. Der Sturm kommt – aus dem Norden!