"Von Triste Tage wird es kein Album geben, welches den selben Pfad wie der Vorgänger beschreitet."
Nachdem ich von Triste Tage aus dem hohen Norden, genauer gesagt Ostfriesland, bereits zu Zeiten der Veröffentlichung des Debütalbums Notiz genommen hatte, bot die Veröffentlichung des starken Nachfolgewerks „Auf ferner Höhe steht er kahl...“ (Review hier), eine willkommene Gelegenheit, Einzelkämpfer Draugr zu seiner künstlerischen Vision hinsichtlich Black Metal und Artverwandtem zu befragen. Ein interessantes und ausführliches Gespräch ist dabei herausgekommen, da Draugr doch einiges fernab der üblichen Phrasen zu sagen hat. Doch lest selbst...
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Hallo aus dem Rheinland nach Ostfriesland! Erzähl doch mal
was zur Bandgründung von Triste Tage. Seit wann gibt es das Projekt, was waren
die ausschlaggebenden Gründe? Gab es bestimmte Bands, die Dich beeinflusst haben?
Moin Gerald, vielen Dank für die Möglichkeit dieses
Interviews!
Triste Tage ist im Prinzip aus der Asche meines vorherigen Projekts Storm Kvlt hervorgegangen. Wobei aus der Asche falsch ist, denn das Projekt ist so gesehen
nicht tot. Es ruht aktuell vielmehr, bis mich irgendwann die Muse dafür wieder
küsst.
Jedenfalls habe ich nach dem Debüt „Europas Weg zum Grab“ ein bisschen an Songs
und Sounds rumprobiert, bei denen schnell klar war, dass sie nicht in das
Konzept von Storm Kvlt passen würden. Mir schwebte etwas anderes vor, also
gründete ich kurzerhand Triste Tage. Der Name sollte Programm sein und es ist
auch kein Zufall, dass beide Alben um den Herbstanfang herum veröffentlicht
wurden.
Während Storm Kvlt mehr meine Liebe zu schnellen Songs und groovigen,
vielleicht auch ein bisschen punkigen Riffs abbildet, basiert Triste Tage deutlich
mehr auf Atmosphäre und Emotionen.
Du spielst noch in
anderen Bands, oder? Erzähl mal was dazu...
Nein, nicht mehr. Neben Storm Kvlt, was – wie gesagt -
aktuell auf Eis liegt, war ich noch zusammen mit meinem Kumpel Destruktor bei
der Black'n'Roll-Kapelle Dodengraver am Bass tätig. Die Band habe ich
allerdings in Freundschaft verlassen, da Destruktor und ich jeweils
unterschiedliche Ziele verfolgen. Ich konnte der Band nicht das bieten, was sie
verdient und war und bin auch nicht bereit, meinen faulen Hintern auf
irgendeine Bühne zu bewegen. Daher war es nur logisch, dass ich meinen Posten freigebe, damit Dodengraver den Weg einschlagen kann, den diese Band zwangsläufig einschlagen muss. Denn
Dodengraver rockt und gehört somit auf die Bühnen dieser Welt! Ich liebe das Material, welches wir geschrieben haben und auch das, was ich
bisher von neuem Material hören konnte. Ich werde die Band definitiv als Fan
erster Stunde immer supporten, doch mich persönlich zieht es musikalisch auf
andere Pfade.
Somit bin ich aktuell aktiv nur mit Triste Tage beschäftigt und vielleicht
irgendwann auch mal wieder mit Storm Kvlt. Wir werden sehen, ich lege mich da
auf nichts fest...
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"Zum einen, weil ich einfach total darauf stehe, wenn Songs sich viel Zeit einräumen und entfalten können. Und zum anderen, weil es mich anpisst, dass die Songs heutzutage immer kürzer werden, damit sie öfter gestreamt werden können und weil die Kids keine Aufmerksamkeitsspanne für mehr als zwei Minuten haben. Da kommt ein bisschen der Ketzer in mir durch, haha."
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Das neue Album ist ja
nun einen ganzen Tacken schneller als das Debütalbum, trotz aller noch
vorhandener Melancholie. War dies eine bewusste Entscheidung oder hat sich das
Einfach beim Komponieren der neuen Stücke von selbst ergeben? Ich finde, die
etwas schnellere Variante steht dem Album gut zu Gesicht!
Das ist eine sehr gute Frage! Tatsächlich hat sich das kurz
nach dem Release von „Und die Hörner des Sommers verstummten...“ so ergeben.
Ich muss dazu sagen, dass ich mich bewusst auf der ersten Platte limitiert
hatte. Es gibt im Prinzip nur eine Gitarre. Das war auch exakt so gewollt, das
Album sollte – bandseitig betrachtet – als klassisches Rock-Trio fungieren. Ich
wollte ein sehr reduziertes, langsames Album schreiben, welches dunkler und
hypnotischer wirkt, passend für einen regnerischen Herbsttag.
Im Vergleich zum doch eher verkopften Debüt von Storm Kvlt sollte „Und die Hörner...“ einen
drastischen Schritt zurück gehen. Mehr Richtung Atmosphäre und Stimmung. Keine
Blastbeats, kein hohes Tempo, generell bewusst weniger Abwechslung. Ich war
selber erstaunt, dass das Album so gut ankam, da die Musik schon nischiger ist
und auch wirklich reduziert gehalten wurde. Umso mehr hat mich die Resonanz
dann natürlich gefreut!
Mir war aber klar, dass ich mich auf dem kommenden Album nicht wiederholen
wollte. Wenn ich ein neues Album veröffentliche, dann soll nicht vorher klar
sein, in welche Richtung es gehen könnte. Es ist okay, wenn man wie Amon Amarth seinen Stil gefunden hat und ihn zwanzig Mal durchkaut. Das ist aber nicht der
Anspruch, den ich an mich selbst habe. Von Triste Tage wird es kein Album
geben, welches den selben Pfad wie der Vorgänger beschreitet.
Im Prinzip ist „Auf ferner Höhe steht er kahl...“ am Ende ein Spagat zwischen
Storm Kvlt und dem ersten Triste Tage-Album. Nur dieses Mal ohne künstlerische
Limitierung, sondern einfach frei heraus das, worauf ich Bock hatte. Das Beste
aus beiden Welten... und doch irgendwie anders. Ich habe es – anders als zuvor – erstmals einfach fließen lassen. Daher sind
die Songs dieses Mal auch auf zwei Gitarren aufgebaut und variabler im Tempo.
Das war nicht so geplant, hat sich aber im Entstehungsprozess einfach entwickelt. Dazu sind
die Kompositionen ausufernder, etwas freier und somit auch überlang geworden.
Zum einen, weil ich einfach total darauf stehe, wenn Songs sich viel Zeit
einräumen und entfalten können. Und zum anderen, weil es mich anpisst, dass die
Songs heutzutage immer kürzer werden, damit sie öfter gestreamt werden können
und weil die Kids keine Aufmerksamkeitsspanne für mehr als zwei Minuten haben.
Da kommt ein bisschen der Ketzer in mir durch, haha. Für dieses Album sollte man sich etwas Zeit nehmen müssen und ich glaube, das
ist mir auch gelungen. „Auf ferner Höhe...“ funktioniert am besten am Stück und im
Zusammenspiel mit dem Artwork und den Illustrationen.
Insgesamt bin ich mit der Entwicklung des Albums zufrieden.
Ich weiß, dass das jeder Künstler sagt, aber dieses Album fühlt sich nach dem
besten Material an, welches ich bisher geschrieben habe. Auf vorherigen
Veröffentlichungen gab es im Nachhinein immer Dinge, die ich hätte anders
machen wollen. Mit „Auf ferner Höhe...“ bin ich jedoch rundum zufrieden und höre das Album
auch jetzt noch extrem gerne: Ein guter Indikator für meine Zufriedenheit.
Das bedeutet aber nicht, dass ein weiteres Album auch in diese Richtung gehen
wird. Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass nicht mal sichergestellt
ist, dass es sich beim nächsten Werk um Black Metal handeln wird. Ich habe ein paar lose Ideen im
Kopf. Mal schauen, was sich daraus so ergeben wird.
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"Ich glaube, es gibt viele Ansätze, mit denen man sich dem Album nähern kann und dabei möchte ich es an dieser Stelle auch belassen. Jeder kann seine eigenen Gedanken dazu finden und wer Lust hat, kann sie auch gerne teilen! Ich finde es sehr spannend, was andere aus dem Album ziehen. Die Texte haben ein paar Schichten und vielleicht sogar welche, die ich selber im ersten Moment bewusst gar nicht erkannt habe."
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Kommen wir nun zum
Konzept und den Texten. Wie wichtig sind Dir diese? Siehst Du diese eher als
Beiwerk oder quasi gleichwertig zur Musik? Das Album weist ja allein schon
anhand des Werdegangs des Baumes als bildhafte Darstellung eine pessimistische,
traurig-düstere Atmosphäre auf, natürlich ganz zu schweigen vom Bandnamen. Bist
Du selber auch eher melancholisch oder gar pessimistisch veranlagt? Falls ja,
sind Triste Tage dann eine Art Katharsis für Dich?
Das Konzept... wie viel Zeit hast du? Haha.
Tatsächlich steckt hinter jedem meiner Alben ein Konzept, obwohl ich keines
wirklich als Konzeptalbum bezeichnen würde. Ich finde, dass der Begriff zu
inflationär genutzt wird und dass sich viele Musiker des Wortes bedienen, um
ihr Album irgendwie besonders erscheinen zu lassen. So ist es bei mir nicht.
Aber natürlich mache ich mir zu jedem Album Gedanken und verfolge eine
Grundidee in den Songs.
Bei „Und die Hörner...“ war klar, dass die Thematik dem Herbst gewidmet sein sollte.
Obligatorisch bei dem Bandnamen und der Stilistik. Ich habe mich hier der
großen Leidenschaft zum Expressionismus bedient und fünf ausgewählte Gedichte
von Georg Heym und Georg Trakl vertont, die mich allesamt auf die eine oder
andere Weise inspiriert und berührt haben.
Klar war, dass das Konzept kein zweites Mal so für mich funktionieren würde.
Auch wenn es noch unzählige Gedichte gibt, die es wert sind, vertont zu werden.
Aber für „Auf ferner Höhe...“ wollte ich wieder selber Texte schreiben, wie ich es schon bei
Storm Kvlt tat. Ich sehe mich nicht als großen Lyriker, aber zur Musik gehören
entsprechende Texte und auch ein entsprechendes Artwork. Für mich geht alles
Hand in Hand, denn ein Album ist nicht nur Musik, sondern ein Gesamtkunstwerk.
Deswegen war auch klar, dass es – wie ja mittlerweile viel genutzt und
diskutiert – keine Künstliche Intelligenz-Arbeit auf der Platte geben wird. Das Visuelle sollte zur
Musik passen und das Ergebnis echter Kunst sein. Das ist mir wichtig. Und wenn
man sich das Album anschaut, wie das Digipack geworden ist, dann fühlt sich das
für mich einfach gut und rund an. Es geht los beim wundervollen Artwork von Timon Kokott, der meine Idee eins zu
eins umsetzen konnte und ein wirklich ausdrucksstarkes Cover geschaffen hat,
und mündet in den einzelnen Song-Illustrationen von Autumn Arts. Marcus hat
wirklich einen einzigartigen Stil zu zeichnen und ich finde, er hat den Kern
der Songs perfekt getroffen und die Thematik des Albums super zusammengefasst.
Jede Zusammenarbeit mit ihm ist extrem unkompliziert. Ich brauche ihm nur wenig
beschreiben und am Ende kommt etwas großartiges raus. Sowas kann dir keine Künstliche Intelligenz bieten.
Die Lebensphasen des Baumes, die du bereits angesprochen hast und welche in den
Illustrationen verdeutlicht werden, beschreiben den Kreislauf des Verfalls und
den Eingriff der Menschen in die Natur. Ich möchte gar nicht allzu sehr ins
Detail gehen, weil ich der Meinung bin, dass Texte und Aufmachung für sich
sprechen. Aber wie der einst prachtvolle Baum gefällt und zu einem Galgen
verarbeitet wird, passt einfach wunderbar in das Bild, welches ich von vielen
Menschen habe. Anstatt das wir uns um die Natur kümmern, und auf unseren
Planeten achten, zerstören wir alles, was uns in die Quere kommt und
zweckentfremden es für Dinge, die lebensverneinender nicht sein könnten. Dabei geht es zentral auch um das Absurdum, sich Mauern zu schaffen, in denen
man sich sicher fühlt, um sich von Dingen abzugrenzen, die eigentlich
wunderschön, aber vielleicht (noch) fremd sind, nur um dann innerhalb der
Mauern den eigentlichen Schrecken zu finden.
Ich glaube, es gibt viele Ansätze, mit denen man sich dem Album nähern kann
und dabei möchte ich es an dieser Stelle auch belassen. Jeder kann seine
eigenen Gedanken dazu finden und wer Lust hat, kann sie auch gerne teilen! Ich
finde es sehr spannend, was andere aus dem Album ziehen. Die Texte haben ein
paar Schichten und vielleicht sogar welche, die ich selber im ersten Moment
bewusst gar nicht erkannt habe.
Und ob Triste Tage eine Art Katharsis ist... also, es ist definitiv keine Musik für
den Sommer, haha. Die Musik an sich ist jedoch keine direkte Katharsis für
mich. Ich nutze sie nicht als Ventil, um irgendwelche Gefühle rauslassen zu
können, die ich sonst nicht rauslassen kann. Ich glaube, wenn man atmosphärische Musik hört – egal ob Funeral Doom, Atmo-Black Metal,
Dark Folk oder anderes - dann liegt eine gewisse Neigung zur Melancholie und
Dunkelheit nahe. So ist es auch bei mir, aber ich bin kein pessimistischer oder
negativer Mensch. Es gibt Dinge auf dieser Welt, die frustrieren mich ungemein.
Aber genauso gibt es viele positive Dinge im Leben. Ich denke, es ist gut, wenn
man Musik nutzt, um sich solchen Gefühlen zu stellen und auch mal schlechte
Phasen damit aufzufangen.
In dieser Hinsicht ist Musik schon Katharsis, aber eher allgemein. Aktiv wie
passiv. Nicht speziell auf den Prozess des Musizierens bei mir bezogen. Was
nicht bedeutet, dass keine Emotionen im Spiel sind, aber ich habe genug andere
Ventile, um mit den frustrierenden und dunklen Momenten im Leben umzugehen.
Wie kam es zum Mitwirken der Gastmusiker? Kanntest Du diese bereits vorher oder hattest Du aktiv gesucht? Besonders auch der sparsam eingesetzte weibliche Gesang gefällt mir sehr gut.
Ich habe bisher auf jedem meiner Alben mit Gastmusikern
gearbeitet, weil ich manche Sachen einfach nicht machen konnte oder wollte. Vor
allem der Bass war mir immer ein recht unliebsames Instrument, keine Ahnung
wieso, denn mittlerweile liebe ich ihn. Ich habe zwar jegliche Songs alleine
geschrieben und auch die Drums dazu in Guitar Pro vorprogrammiert, sodass es
komplett fertige Demos gab, bevor ich die Sachen Gastmusikern geschickt habe,
aber irgendwas gab es immer, was ich dennoch abgeben wollte.
Anders als bei Storm Kvlt war mir für Triste Tage klar, dass ich echte Drums
brauchte. Der Einsatz eines Drumcomputers auf der fertigen Platte kam nicht in
Frage, dafür ist die Musik insgesamt zu organisch. Ich brauchte also auf jeden
Fall einen Drummer. Ich stand zu der Zeit in regem Kontakt mit Flo von Nightside Audio, der „Und die Hörner...“ produziert hat und auch bei Eïs - einer meiner absoluten Lieblingsbands! -
spielt. Er brachte für die Drum Recordings irgendwann Marlek ins Spiel und der
Vorschlag versetzte mich in Begeisterung. Marlek spielte lange bei Eïs und hat
Drums auf Alben gespielt, die mich bis heute tief bewegen. Ich hab ihn dann
einfach mal angeschrieben, das Material mitgeschickt und er war sofort im mit im Boot.
Einfach eine extreme Ehre für mich, dass er Drums auf meinem Album einspielen
würde! Und das Resultat spricht für sich, der Kerl ist einfach eine Maschine.
Und dazu ein extrem netter und umgänglicher Mensch.
Beim Gesang gab es dann mehrere Optionen, denn es war klar, dass ich diesen
Posten nicht wieder übernehmen würde. Schlussendlich vermittelte mir Flo den
Kontakt zu Nova, welche ich bereits von Convictive kannte und zu schätzen
wusste. Die Frau ist ein absolutes Powerhouse und ich konnte mir ihre Screams
sehr gut zu den Songs vorstellen. Also auch hier wieder schlicht und ergreifend
angeschrieben, Material geschickt, sie hatte Bock: Läuft. Übrigens sind nicht nur die klaren, cleanen Vocals von ihr. Der gesamte Gesang
(bis auf eine kleine Ausnahme) ist von Nova! Ich hatte ihr vorab Demos aller
Songs geschickt und ihr dann freie Hand gelassen. Sie kannte also nur die Demos
mit meinen Schreien. Alle cleanen Parts, alle zusätzlichen Chöre etc. sind
alleine ihre Ideen. Sie hat die Songs genommen und nochmal auf ein komplett
anderes Level gehoben. Ich gehe auch guten Gewissens so weit, zu sagen: Hätte Nova nicht ihre Ideen so
eingebracht, dann wäre das Album nur halb so gut geworden. Eine unfassbar
krasse Leistung und ich bin super froh und stolz, dass sie Bock hatte, an dem
Projekt mitzuarbeiten! Checkt auf jeden Fall ihre anderen Bands aus, die Frau
ist ein Naturtalent!
Wird es Triste Tage
vielleicht auch mal an der Live-Front zu bestaunen geben?
Hier fasse ich mich kurz: Nein. Aus diversen Gründen. Live wird es Triste Tage definitiv nicht geben. Ich bin kein Typ für die Bühne
und habe daran auch keinerlei Interesse. Es würde für mich als Familienvater
nur Stress bedeuten, Zeit kosten und Nerven rauben. Meine Prioritäten liegen
ganz woanders und meine Wochenenden sind mir heilig.
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"Aber heutzutage wird jeden Tag was Neues veröffentlicht, es ist so viel generischer Schrott dabei und alles ist so schnelllebig geworden... ich komme da nicht mehr mit und will es ehrlich gesagt auch nicht."
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Welche Bands und
Musiker haben Dich in letzter Zeit beeindruckt? Was sind Deine All-Time-Faves?
Ich bin ehrlich mit dir, Gerald: Ich habe eigentlich die
letzten Jahre kaum neue Musik gehört, die mich wirklich nachhaltig beeindruckt
hat. Ich bin so ein alter, festgefahrener Typ für den früher alles besser war,
haha. Nein, ganz so schlimm ist es nicht, aber ich habe tatsächlich alles an Musik,
was ich brauche, und mir fehlt einfach mittlerweile bei vielen Releases die
Seele. Es gibt garantiert viele tolle Bands, die ich verpasst habe und die
genau das machen, was ich suche. Aber heutzutage wird jeden Tag was Neues
veröffentlicht, es ist so viel generischer Schrott dabei und alles ist so
schnelllebig geworden... ich komme da nicht mehr mit und will es ehrlich gesagt
auch nicht.
Wenn ich dir irgendeine „Neuentdeckung“ der letzten Jahre nennen müsste, die
mich irgendwie beeindruckt hat, dann wären es vermutlich Kanonenfieber. Wobei
das auch schon wieder abgeebbt ist. Die ersten EPs und auch noch das erste
Album sind verdammt gut. Das hat mich abgeholt und live war es auch echt ein
Erlebnis. Aber die Band wurde zu schnell zu groß und vor allem die Produktion
hat darunter gelitten. Ich mag diese bombastisch-moderne Produktion, die nur
auf Druck ausgelegt ist, nicht. Keine Ecken, keine Kanten. Man vergleiche nur
die ursprüngliche Version von „Füsilier I“ mit der aktuell neu veröffentlichten
Version... gar nicht meine Baustelle. Schade. Aber Kommerz-Geschrei und
Trve-Warriors hin oder her, Kanonenfieber haben schon ein paar extrem starke
und emotionale Songs.
Ansonsten bin ich jüngst auf Ordo Rosarius Equilibrio gestoßen, die mich auf
irgendeine seltsame Weise berühren, und auch Zwischenlichten habe ich neu
entdeckt und konnte da viel mit anfangen. Allerdings sind das keine
Metal-Klamotten, was verdeutlicht, dass ich aktuell ganz woanders nach neuer
Musik suche. Ich finde, es ist ziemlich dämlich, wenn man sich nur auf ein
Genres oder gar auf ein Subgenre versteift. Es gibt so viele tolle Musiker und
Bands in allen erdenklichen Genres. Ja, sogar im Hip Hip und im Elektro. Man
muss sie halt nur durch Zufall oder gute Suche finden. Das geht jedoch nur,
wenn man dafür offen ist... Ich komme mittlerweile in ein Alter, wo man nicht
(mehr) zwanghaft true sein muss, haha.
Bei meinen All Time-Favoriten könnte ich dir hier jetzt
seitenlang Namen aufzählen, aber ich erspare uns beiden die offensichtlichen
Sachen wie Darkthrone, Emperor, Enslaved und Konsorten. Aber die Bands, die mich
musikalisch inspiriert haben, sind natürlich immer gerne gesehene Gäste auf dem
Plattenteller: Wolves in the Throne Room, Agalloch, Helrunar, Eïs... Aber es gibt zu viele Bands,
um sie alle nennen zu können. Ich bin da sehr vielschichtig unterwegs.
Kannst Du den Lesern
des Systematic Desensitization Zines vielleicht noch nicht so bekannte oder
unentdeckte Perlen aus dem ostfriesischen Underground empfehlen?
Friisk wäre die offensichtlichste Wahl, aber ob die noch so
wirklich unbekannt sind? Egal, die Jungs sind wirklich großartig! Ganz tolle
Alben, live wahnsinnig gut! Unbedingt reinhören! Ostfrieslands Perle im Black
Metal.
Dazu natürlich Dodengraver, die hoffentlich im kommenden Jahr dann richtig
durchstarten und das erste Album rausbringen. Ich würde schon mal auf Instagram
folgen, das wird sich auf jeden Fall lohnen.
Und dann kann ich noch Harlinger empfehlen. Ein weiterer Freund von mir, der
aktuell an seinem zweiten Album arbeitet, welches im kommenden Jahr erscheinen
wird. Sehr melodisch und das neue Material wird auch deutlich düsterer und
introspektiver. Unbedingt auschecken!
Die letzten Worte
gehören Dir!
Ich danke dir für das Interview, Gerald, und hoffe, dass ich
deine Fragen zufriedenstellend beantworten konnte. Und natürlich ein großer
Dank an alle, die bis hierhin gelesen haben und auch an jeden einzelnen
Supporter von Triste Tage. „Auf ferner Höhe...“ hat so ein überwältigendes Feedback bekommen, dass unterm Strich einfach
nur Dankbarkeit bleibt. Ich habe damit nicht gerechnet, aber bin extrem stolz.
Und natürlich auch ein großer Dank an dieser Stelle an all jene, die direkt
oder indirekt am Album mitgewirkt haben. Ihr wisst, wer ihr seid. Ohne euch
wäre das alles so nicht möglich gewesen.
In diesem Sinne: Prost und kommt gut ins neue Jahr.