Monday, April 10, 2023

INTERVIEW TANKARD

„Die kochen auch nur mit Wasser!“

Als gegen Ende März die Frankfurter Thrasher von Tankard bereits zum zweiten Mal die Groove Bar in Köln-Wahn beehrten, bot sich dies als gute Gelegenheit für ein Interview mit Frontmann Gerre an. Aufgrund einer nicht vorhergesehenen Verzögerung, und der Tatsache, dass sowohl Gerre als auch meine Wenigkeit keine Lust auf ein unter Zeitdruck geführtes Interview verspürten, entschlossen wir uns, das Ganze einige Tage später per Videoschaltung nachzuholen. Lest hier, was der sympathische Frontmann über die Texte des letzten Albums "Pavlov's Dawgs", die Corona-Pandemie, die soziale Kompetenzen von Metal-Fans und seine, auch nach all den Jahrzehnten ungebrochene Begeisterung für Metal und neue Alben, zu sagen hat.

Was war los in Köln? Warum verzögerte sich der Beginn des Konzertes? Dadurch kamen die Leute immerhin in den Genuss von Freibier, das vor dem Eingang verteilt wurde, haha.  

Da gab es wohl Missverständnisse, die PA war noch nicht richtig am Start, jemand ist kurzfristig krank geworden und dann musste ein bisschen improvisiert werden, also nichts Gravierendes.

Jetzt habt ihr schon so viele Konzerte gespielt, ist da immer noch jedes Mal Freude und Lust da, oder denkt man sich dann mittlerweile doch mal, dass man das Wochenende lieber zu Hause entspannter verbracht hätte? Wieviel Routine steckt da auch mittlerweile drin?

Na ja, wir machen das Ganze ja, weil es Spaß macht auf die Bühne zu gehen und mit den Leuten abzufeiern. Das macht jedes Mal aufs Neue Spaß. Klar ist man manchmal etwas kaputt, wenn man so viel unterwegs ist und wenig schläft. Aber wenn der erste Ton auf der Bühne erklingt, ist das alles weg und wir freuen uns auf den Gig und die Zeit mit den Fans! Dann weiß man, wofür man die Strapazen auf sich nimmt!

Das war ja nun schon das zweite Konzert in der Groove-Bar in Köln-Wahn. Wie kamen diese Konzerte zustande? Grundsätzlich spielen Bands eures Kalibers beispielsweise eher in der Kölner Innenstadt in Läden wie dem MTC.

Der erste Kontakt geschah im Vorfeld dieses Corona-Konzerts im Jahr 2020 zustande, wo unter ganz strengen Bedingungen nur 60 Zuschauer dabei sein konnten, noch mit Maskenpflicht, Sicherheitsabstand und festen Sitzplätzen. Früher haben wir in Köln öfters im Underground gespielt, das war ein sehr geiler Laden, den es ja leider nicht mehr gibt. Und nun haben wir in der Groove Bar bereits das zweite Mal gespielt, dieses Mal unter normalen Bedingungen mit richtiger Konzertatmosphäre.

Das aktuelle Album "Pavlov's Dawgs" als auch den Vorgänger habt ihr ja im Gernhart Studio in Troisdorf aufgenommen, was von der Konzertlocation auch nur einen Katzensprung entfernt ist. Wart ihr vielleicht während der Zeit mal in der schönen Wahner Heide (ein wunderschönes Naturschutzgebiet vor den Toren Kölns) unterwegs?

Nein, das nicht, aber das Studio ist sozusagen um die Ecke vom Konzertort aus gesehen. Den Martin Buchwalter (Inhaber des Gernhart Studio) kennen wir bereits seit einiger Zeit, und dann gab es die Idee, eine Platte mit ihm aufzunehmen, schon länger. Das passierte dann erstmals 2017 mit "One Foot in the grave", das hat gut funktioniert, wir haben gut zusammengearbeitet und insofern sind wir dann fürs aktuelle Album auch wieder nach Troisdorf gekommen. Perzonal War, die Band von Martin, ist auch eine sehr geile Band, die leider nie den Durchbruch geschafft hat oder zumindest nie die ihr zustehende Anerkennung bekommen hat, obwohl die Jungs so viele geile Alben rausgebracht haben. Also wenn ihr mal guten, deutschen Metal hören wollt, dann durchkämmt mal die Diskographie von Perzonal War!

Das letzte Album hat es ja tatsächlich bis Platz 8 der deutschen Albumcharts geschafft. Was bedeutet das für Dich oder Euch als Band, wie habt ihr das aufgenommen?

Ich sage mal so, es ist für die Reputation einer Band natürlich immer ganz gut, in den Charts aufzutauchen. Dass wir es zum ersten Mal in die Top Ten geschafft haben, das zeugt natürlich auch davon, dass unser Label Reaper Music, besonders auch Florian Milz, für uns und die Platte ziemlich Gas gegeben haben. Die letzten Alben sind auch schon in den Charts gewesen. Von den Verkäufen her muss man da heutzutage ja gar nicht mehr besonders viel absetzen, das kann man ja nicht mal mehr ansatzweise mit den 80er oder 90er-Jahren vergleichen. Finanziell spielt das keine Rolle mehr, man verdient ja als Band heutzutage kaum noch was über Plattenverkäufe. Aber es ist dennoch schön, mit dieser Art von Musik so weit zu kommen und am siebten Platz nur von Roland Kaiser gehindert zu werden, haha. Das macht einen natürlich schon etwas stolz, klar.

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 Wir müssen das nicht machen, sondern wir machen das, weil wir Bock darauf haben!

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Das ist ein guter Punkt, um am nächsten Thema anzuknüpfen. Im Interview im Legacy Magazin zum neuen Album sagtet Ihr, dass Ihr euch kurz vor der Corona-Pandemie überlegt hattet, eure Jobs an den Nagel zu hängen, um Euch ganz auf die Band zu konzentrieren, und dann heilfroh wart, es nicht gemacht zu haben, als Corona mitsamt den Folgen wie Konzertverbote etc. kam. Das wunderte mich dann doch sehr, solch eine Überlegung hätte ich eher in den 80ern oder 90ern bei Euch verortet, als man eben noch mit dem Tonträgerverkauf richtig Geld verdienen konnte.

Ich glaube, das war vom Andy und Frank nicht so ganz ernst gemeint. Nun denn, wir gehen ja sowieso bald alle in Rente und dann machen wir nur noch Tankard, haha. Also, als die Pandemie losging, da haben wir mal alle telefoniert und uns eine Auszeit von der Band genommen, die uns auch ganz gutgetan hat. Wir haben ein paar Monate nicht geprobt und uns auch nicht gesehen. Aber das Thema, nicht von der Musik leben zu wollen, das haben wir schon Ende der 80er Jahre entschieden. Das ist ja immer auch ein etwas zweischneidiges Schwert. Wenn Du auf der einen Seite nicht von der Musik lebst, kannst du mit der Band tun und lassen was du willst und bist unabhängig und hast null Druck, und das ist auch gut so. Die andere Seite der Medaille ist natürlich, dass man nie soviel auf Achse ein kann, wie die Fans die Band sehen wollen, du kannst die Nachfrage nie wirklich bedienen. Aber für eine Band von der Größenordnung Tankards ist das heutzutage keine Option mehr. So wie wir es handhaben haben wir immer noch Spaß an der Sache, auch nach über 41 Jahren Tankard. Und das ist eben auch das Erfolgsrezept, glaube ich: Wir müssen das nicht machen, sondern wir machen das, weil wir Bock darauf haben!

Die Anerkennung oder der Reputationsgewinn über die Charts ist die eine Sache, wie wichtig ist Euch der Gedanke Legionen an Metalfans beeinflusst zu haben oder der (Mit-)Grund und Inspiration für Bandgründungen in der gesamten Welt gewesen zu sein? Vielleicht ist dies sogar öfters der Fall, wo man es gar nicht auf den ersten Blick vermutet- letztens habe ich Disinter, eine peruanische Death Metal-Band interviewt (siehe hier ), und als die Sprache auf Metal made in Germany kam, fielen neben Namen wie Accept, Kreator und Sodom auch Tankard.

Ja, ich glaube, das ist einem gar nicht so richtig bewusst, aber das ist natürlich immer sehr schön, wenn man sowas hört. Das hat natürlich bestimmt auch viel damit zu tun, dass wir eine Band sind, die aus 80er Jahren stammt.  Bei uns gab es keine Reunion, wir haben immer weitergemacht und durchgehalten, gerade auch in der Zeit Mitte bis Ende der 90er Jahre, als Heavy Metal im Allgemeinen und Thrash Metal im Speziellen nicht gerade angesagt war. Uns gab es halt quasi schon immer, und bestimmt ist dies auch ein Grund, warum wir dann genannt werden, wenn es um wichtige Bands oder Einflüsse geht. Der Gedanke, irgendwelche Bands auf diesem Planeten beeinflusst oder Fans gar zu Bandgründungen motiviert zu haben, ist natürlich was Schönes.

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 Dann habe ich gesagt, die Schlagerfuzzis singen über Liebe, aber Metal ist Liebe.

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Kommen wir mal zu etwas Anderem. Da ich ja weiß, dass Du Sozialarbeiter bist, hätte ich gerne eine Hypothese oder Theorie von Dir, zu dem von mir beobachtetem Umstand, dass überdurchschnittlich viele Metal-Musiker in sozialen, helfenden und medizinischen Berufen wie Sozialpädagogen, Lehrer, Erzieher, Psychologen oder als Ärzte unterwegs sind, selbst diejenigen, die in Bands mit eher weniger menschenfreundlichen Aussagen oder Images spielen. Hast Du da spontan einen oder mehrere Gedanken zu?

Na ja, Metal im Allgemeinen, besonders auch Thrash oder Death Metal ist nun mal eine besonders aggressive Form der Musik. Aber alle Menschen, die das hören oder machen sind zu 99% liebe, nette und friedliche Personen, und insofern schlägt sich das dann bestimmt auch bei einigen in der Berufswahl nieder. Letztens hatten wir eine Veranstaltung, da haben wir einige Sachen versteigert zugunsten zweier caritativer Einrichtungen. Viel Eintracht-Frankfurt-Kram, aber auch unsere Gitarren, die wir 2018 im Berliner Olympia-Stadion gespielt hatten (Tankard traten dort mit der inoffiziellen Vereinshymne „Schwarz-Weiß wie Schnee“ beim DFB-Pokalfinale im Berliner Olympiastadion auf, Eintracht Frankfurt setzte sich mit 3:1 gegen Bayern München durch. Die Band spielte bereits 2017 dort, Finale Borussia Dortmund: Eintracht Frankfurt 2:1, und 2006 mit dem Finale Eintracht Frankfurt- Bayern München, Ergebnis 0:1) Ein befreundeter Kumpel, der bei uns im Rhein-Main-Gebiet schon eine ziemlich großer Schlagernummer ist und hier ziemlich angesagt ist (es handelt sich um den Frankfurter Schlagersänger Roy Hammer, ein Top-Pseudonym, wie ich finde, das sowohl Assoziationen zum Schlager als auch zum Metal enthält-Anmerkung des Autors) hatte die Rolle des Auktionators übernommen. Der kam dann so reingeschneit, wir haben ihn vorgestellt, und ich habe nur gesagt, dass sich jetzt bestimmt alle fragen, was Metal mit Schlager zu tun habe. Dann habe ich gesagt, die Schlagerfuzzis singen über Liebe, aber Metal ist Liebe. Ich glaube, das beschreibt das ganz gut und beantwortet zumindest ein Stück weit auch Deine Frage. 

Das stimmt. Man muss sich ja hier in Köln und Umland nur anzuschauen, was beim ach so Lebensbejahendem und "lustigem" Karneval an Gewalt und Belästigungen abgeht und das mit zahllosen Metal-Konzerten vergleichen, auf denen ich persönlich noch nie Gewalt und tatsächlich auch noch nie sexuelle Belästigungen gesehen habe. Ich muss ja selbst manchmal schmunzeln, wenn bei Konzerten, die Außenstehende aufgrund des Images so mancher Band eher als den Vorhof zur Hölle bezeichnen würde, sich der Zwei-Meter-Hüne gleich drei Mal bei Dir entschuldigt, weil er Dir auf den Fuß getreten ist, haha.

Apropos Image, ihr wolltet ja auch mal von diesem Biertrinkerband-Image weg. Stört Euch das nach wie vor, dass Kritiker, Hörer und Fans immer so eine Schublade aufmachen oder ein Etikett benötigen? Oder anders ausgedrückt, dass es viele Personen wohl etwas überfordert, dass es kein Widerspruch ist, einerseits lustige Texte übers Biertrinken zu schreiben und Party zu machen, und andererseits ein reflektierter Mensch zu sein, der sich über vieles Gedanken macht und auch Sozialkritik in Texte packt?

Nun gut, ich sage es mal so, wir haben einen großen Teil auch zu dazu beigetragen, in die dementsprechende Schublade gesteckt zu werden, gerade was die Zeit 1987-1989 mit den Alben "Chemical Invasion" oder "The Morning After" betrifft. Dann wollten wir so ein bisschen weg von diesem Image und sind damit natürlich kläglich gescheitert. Darüber machen wir uns heutzutage ein bisschen lustig. Wir werden ja heutzutage immer gefragt und drauf angesprochen, dass wir auch sozialkritische Texte auf dem Album haben. Solche Texte haben wir aber seit der "Chemical Invasion", das Debüt nehme ich da natürlich raus, aber bei der "Zombie Attack" waren wir gerade mal 14, 15 Jahre alt, als wir die Texte schrieben, das war wirklich nur Horrorfilm-Style und irgendwelcher Blödsinn. Also, diese Art von sozialkritischen Texten sind nichts Neues und waren im Grunde schon immer präsent bei uns. Wer die Band halt nicht so genau kennt, reduziert uns eben schnell auf diese Biertrinker-Ding, so nach dem Motto, die kann man sowieso nicht so ernst nehmen. Damit kann ich aber gut leben, zumal wir, wie gesagt, daran ja nicht ganz unschuldig sind, gerade am Anfang von Tankard. Wenn wir aber heute eine neue Platte machen würden und alles wäre todernst, auch mit einer ganz anderen Covergestaltung, das wäre ja auch nicht mehr Tankard. Insofern passt ein zwinkerndes Auge ganz gut zu uns.

Ich habe mir jetzt mal drei Texte von "Pavlov‘s Dawgs" herausgesucht. "Ex-Fluencer" finde ich halt gut, weil er diesen Selbstdarstellungswahn und überbordenden Narzissmus gut beschreibt, dieses Absurde, dass selbst die banalsten Dinge dieser Influencer auf Instagram und Co. dankbare Abnehmer finden und hundertausend- bis millionenfach abgerufen werden.

Ja, das hat ja auch irgendwann mit dem realen Leben nichts mehr zu tun, wenn man nur noch virtuell unterwegs ist. Klar, wir sind alle abhängig in gewisser Weise von technischen Neuerungen: Bring mal dein Smartphone heute zur Reparatur und habe das drei Tage nicht zur Verfügung, dann merkt man, was los ist, dann ist man aufgeschmissen. WhatsApp, Instagram nutzt man, Facebook habe ich persönlich jetzt nicht, aber die Band braucht das ja auch. Dass man sich der neuen Medien jetzt bedient, schön und gut, aber gerade so junge Leute, so 13-16 jährige, die können sich schon gut darin verlieren.

Im Endeffekt geht es in unserem Lied ja gut aus, aber Kritik ist da natürlich angebracht. Diese Selbstinszenierung hat auf jeden Fall mit der Realität nichts mehr zu tun - oder es ist eine ganz andere Form von Realität. Auf der anderen Seite sollte man nicht die alten Leute vergessen, die da teils ganz außen vor sind und auch vieler Möglichkeiten beraubt werden, weil viele Dinge heute nur noch digital zu machen sind.

Es hat ja traurigerweise bereits Leute gegeben, die auf der Suche nach dem perfekten Bild für Instagram, in der Hoffnung auf virtuelle Zuneigung in Form von vielen Likes, den Tod gefunden haben, in dem sie beispielsweise von einer hohen Klippe gefallen sind. Das bringt die Absurdität des Ganzen auf den Punkt.

Kommen wir zum Text von "Memento", den ich bemerkenswert finde. Dieser schildert ja jemanden in einer Krisensituation, der sich am eigenen Schopf da wieder rauszieht und an das eigene Ich appelliert, nicht in Selbstmitleid zu verfallen.

Ja genau, es geht auch vor allem darum, nicht zurück zu schauen. Ich ertappe mich dabei selber immer, zu viel nach zurück in die Vergangenheit zu schauen, in Erinnerungen zu schwelgen, so nach dem Motto „Früher war sowieso alles besser“. Und es geht darum sich zu motivieren, einfach den Kopf nach vorne zu richten, einfach geradeaus zu gehen und alles in die eigene Hand zu nehmen.

Das finde ich ja interessant, ich bin auch so ein nostalgisch veranlagter Typ.

Ja, ich auch total. Aber wie es auch im Text heißt, „Müll der Vergangenheit“, das kam mir in den Sinn. Man lebt halt gerne mal in der Vergangenheit, und man muss echt aufpassen, dass man Situationen, Umstände und Personen aus der Vergangenheit nicht verklärt.

Erst recht, wenn man das ein oder andere Bierchen getrunken hat. Es gibt die Fraktion, die wird dann schneller aggressiv, und die Fraktion, die dann nostalgisch-melancholisch wird, ich nehme dann einfach mal an, du gehörst dann eher zur Letzteren.

Ja, das kenne ich, nach dem vierten Bier kommt dann auch durch, was man alles ändern möchte und in Zukunft anders macht, und dann ist man doch wieder in seinem Hamsterrad drin, haha.

Manche Leute rufen dann auch mal gerne irgendwelche Personen aus der Vergangenheit an, zu denen man ewig keinen Kontakt hatte. Kommt um vier Uhr morgens bestimmt besonders gut an, haha.

Wenn man älter wird, hat man eben auch weniger Zeit, Freundschaften zu pflegen und ist mehr im Hamsterrad drin als früher, wo alles wahrscheinlich noch ein bisschen unbeschwerter war. Aber wie gesagt, da sind wir wahrscheinlich schon wieder beim Verklären der Vergangenheit. Früher war eben doch nicht alles besser, früher war auch vieles Scheiße. Insofern, wie gesagt, der Text ist ein kleiner Aufrüttler, nach vorne zu blicken.

Kommen wir zum Text von "Lockdown forever", Ihr habt euch da ja auch eine Auszeit als Band genommen, die Euch gutgetan hat.

Ja, "Lockdown forever," das Thema eines nicht mehr endenden Lockdowns ist natürlich in ironisierender Weise sehr überspitzt dargestellt. Dass quasi eine so krasse Pandemie käme, dass man für den Rest seines Lebens zu Hause eingesperrt wäre.

Ich fand die Lockdown-Situation sehr krass, und auch sehr zweischneidig. Ich war eine der ersten, die einen Passierschein hatten bei einer wirklichen Ausgangssperre, wegen der Systemrelevanz meines Berufes. Wir hatten schon einen Passierschein, bevor der erste Lockdown kam. So richtige Ausgangsperren hatten wir ja nur ein oder zwei Mal gehabt, wenn ich mich richtig erinnere, wo man nur bis 22:00 Uhr draußen sein durfte.

Genau, das war in Köln genauso. Kommt mit in der Rückschau auch total irreal vor, wobei das keine Bewertung der Entscheidung darstellen soll.

Dass man da alles jetzt mal so runtergefahren hat, fand ich gar nicht mal so schlimm. Gerade für Kinder und Jugendliche war das aber natürlich eine Vollkatastrophe, denen wurden zwei Jahre ihres Lebens geraubt, so kann man das schon sagen, ohne jetzt irgendjemandem die Schuld dafür geben zu wollen. Aber ich persönlich fand das für mich jetzt nicht so schlimm, dass alles etwas runterfahren wurde.

Ich fand das auch nicht schlimm. Das Ganze hängt natürlich auch immer davon ab, in welcher Lebenssituation man sich befindet, welche Hobbys man hat, wie man seine Zeit verbringt und von der Wohnsituation. Dennoch glaube ich, dass es, bis auf Ausnahmen natürlich, schon in die Richtung ging, dass je jünger die Personen, desto gravierender die Auswirkungen, von Kleinkindern natürlich abgesehen.

Man muss jetzt auch sagen, es ist jetzt langsam irgendwie vorbei, es wird überhaupt nicht mehr drüber diskutiert. Davor ist man fast drei Jahre lang mit dem Thema in irgendwelchen Talkshows erschlagen worden. Ich würde mal gerne eine richtige Aufarbeitung des Themas und eine kritische Auseinandersetzung mit dem, was alles gemacht worden ist, sehen.

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 Und dieses teils komplette Ausschließen von Nicht-Geimpften fand ich nicht gut.

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Gerade ja auch hinsichtlich dessen, dass es ja nicht so unwahrscheinlich ist, dass es, wann genau auch immer, mal wieder eine Pandemie geben wird.

Das wird jetzt alles so ein bisschen unter den Teppich gekehrt. Ich hätte mir auch am Anfang gewünscht, dass man seitens der Politik gesagt hätte: „Das ist was Neues, wir kennen das nicht, wir geben unser Bestes, aber es werden Fehler passieren.“ Damit hätte man schon viel Wind aus den Segeln nehmen können. Oder darf ein Politiker sowas nicht sagen? Aber auch dieses Ungeimpften-Bashing fand ich nicht gut. Verstehe mich nicht falsch, ich bin selber geimpft und habe mich davon überzeugen lassen, dass ich mich durch die Impfung höchstwahrscheinlich nicht infizieren werde und es auch nicht weitergeben werde. Na ja, am Ende hatten es ja fast alle wenigstens einmal, okay, vielleicht nicht so stark in den Auswirkungen wie Ungeimpfte. Insofern gibt es schon Sachen, die man retrospektiv kritisch hinterfragen könnte. Die Schweden beispielsweise wurden sehr hart angegangen für ihren Weg des Umgangs mit Corona, die haben ja kaum was dagegen gemacht, zumindest nicht im Sinne von verpflichtenden Regelungen und stehen nun genauso da wie wir.

China hat alles dichtgemacht, Wohnviertel komplett isoliert, gebracht hat es am Ende auch nichts, mal ganz abgesehen von der Unverhältnismäßigkeit der Mittel.

Wie gesagt, ich bin selber geimpft und natürlich war die Corona-Infektion eine schlimme Sache, die bei manchen Personen tödlich oder zumindest sehr gravierend verlaufen ist. Aber wie Du schon richtig sagst, das wird nicht die letzte Pandemie gewesen sein, und eine kritische Auseinandersetzung sollte ja allein schon dafür gut sein, um beim nächsten Mal besser gerüstet zu sein und nicht teure Masken in China kaufen zu müssen, das ist ja alles passiert. Und dieses teils komplette Ausschließen von Nicht-Geimpften fand ich nicht gut.

Es war ja eine vollkommen neue Situation für jedermann, nicht nur für die Politik, sondern auch für die Wissenschaft. Insofern ist natürlich auch ein Trial und Error-Vorgehen naturgemäß, ich mache da erst einmal niemanden einen Vorwurf. Das einzige, was ich von vornherein unangemessen fand, war, dass zu einer bestimmten Zeit infizierte Sterbende sich nicht mehr von ihren Angehörigen wie Kinder oder Ehepartnern verabschieden konnten. Da muss man doch auch als Gesetzgeber in der Abwägung zwischen einer kollektiven Verantwortung einerseits und individuellen Freiheitsrechten andererseits sehen, dass das ein so existentielle Situation ist, in der letzteres höher wiegen sollte, finde ich. Wie traumatisch muss das ein, gerade auch für die Hinterbliebenen.

Das sehe ich genauso, oder auch diese Limitierungen auf zehn Personen bei Beerdigungen an der frischen Luft. Ich hatte damals subjektiv das Gefühl, dass ich auf der sicheren Seite sei, wenn ich geimpft bin, und dass ich es dann auch nicht weitergeben könnte. Dem war nicht so, vielleicht hätte man es dann auch nicht Impfung nennen sollen. Ich bin kein Schwurbler oder Verschwörungstheoretiker, aber ein grundliberaler Mensch, und wenn sich jemand nicht impfen lassen möchte, dann wird der- oder diejenige schon seine Gründe dafür haben und gehört meiner Meinung nach nicht dermaßen an die Wand genagelt, wie das zum Teil passiert ist. Insofern kann ich mich an dieser Stelle nur wiederholen und wünsche mir eine offene und kritische Auseinandersetzung mit dem Thema.

Lass uns gegen Ende des Interviews noch mal zu erfreulicheren Themen zurückkehren, wie sieht es um Deine oder Eure Begeisterungsfähigkeit und Interesse aus, was neue Veröffentlichungen betrifft? Gibt es da noch Sachen, die total begeistern oder bei denen man den Veröffentlichungstermin herbeisehnt?

Ich bin nach wie vor Metal-Freak und gebe ziemlich viel Geld für physikalische Tonträger aus. Ich höre auch viel, ab und zu entdeckt man auch was Neues. Ein kleines Beispiel, um das zu verdeutlichen: Wir saßen in unserem Tourbus nach Köln, und der Buffo, unser Manager, hat aufgezählt, welche Veröffentlichungen nun gerade aktuell sind. Eine neue Jag Panzer kommt raus, dann habe ich im Internet den ersten Song gehört, der hat mich so von den Socken gehauen, den finde ich so geil, und ich freue mich nun so auf die neue Jag Panzer-Platte. Natürlich habe ich mir auch das neue Overkill-Album bestellt, die neue Savage Grace und jetzt könnte ich Dir noch vier Stunden weiter was aufzählen. Du siehst also, das Ganze interessiert mich nach wie vor sehr und ich kaufe mir auch blind viel Neues.

Hast Du schon die neuen Metallica-Songs vom bald erscheinenden Album "72 Seasons" gehört, falls ja, wie findest Du diese?

Einen fand ich ganz gut, und einen anderen fand ich ein bisschen langweilig. Aber ich glaube, es gibt jetzt schon einen dritten Vorab-Song zum Hören.

Ich habe ja bei manchen dieser neuen Tracks die Theorie, dass wenn die Band nicht Metallica heißen würde, sondern ein x-beliebiger Newcomer wäre, dass es so gut wie niemanden interessieren würde, und das sage ich als jemand, der sogar St. Anger ganz gut fand.

Tankard sind ja auch gerade wegen der Verbindung zu Eintracht Frankfurt öfters Mal in der Zeitung. Wirst Du öfters in der Stadt angesprochen oder auch im beruflichen Kontext?

Das eher selten, im Stadion hingegen kennt mich natürlich jeder Dritte, da werde ich öfters mal angesprochen.

Dass Du gerade bei den zuerst genannten Situationen Deine Ruhe hast, schätzt Du bestimmt.

Ich kann da eigentlich ganz gut mit umgehen., ich bin ja genauso Metalhead wie die anderen auch. Personenhype, auch bei den großen Stars, finde ich immer ziemlich übertrieben. Die kochen auch alle nur mit Wasser!

Manche Leute bezahlen 5000 Euro dafür, um einmal Ozzy Osborne die Hand schütteln zu können und ein Selfie machen zu können. Von der Unverhältnismäßigkeit des Preises abgesehen, was hat den ein Fan davon überhaupt, wenn das alles nur aus rein monetären Gründen geschieht?

Also Meet-and-greet machen wir auch gerne, allerdings nicht gegen Geld. Gerade in Südamerika muss man als Band aufpassen, dass da nicht irgendwelche komischen Tickets verkauft werden gegen ziemliche Aufpreise. Wir als Band wehren uns mit Händen und Füßen dagegen und solange ich was zu sagen habe, kommt so ein Scheiß nicht in die Tüte, das ist für mich nur miese Abzocke.

Das ist doch ein gutes Schlusswort.

Nimm bitte als Überschrift „Die kochen auch nur mit Wasser“, haha.

Mach ich, versprochen.