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Monday, June 13, 2022

INTERVIEW MORTUUS INFRADAEMONI

"Alles ist vergänglich und mündet in der letzten großen Frage, dem ewigen Tod – gleichzeitig ist der Tod aber auch immer eine Tür zu etwas Anderem, Unbekanntem."  

Wie ich bereits in der Besprechung des neuen Albums (Review siehe hier) zum Ausdruck brachte, sind Mortuus Infradaemoni eine ganz besondere Band mit einer tiefschürfenden musikalischen Aura, die nun wirklich nicht alltäglich oder profan ist (um mal einen Querverweis zum Pseudonym eines meiner Interviewpartner zu bringen). Eben genau wie dieses Interview, ich danke der Band für die offenen Worte, die ausführlichen, interessanten musikalischen Empfehlungen und das Wort(ungetüm) des Jahres, siehe die Frage zu den sozialen Medien.
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Hallo, erst einmal Glückwunsch zum starken neuen Album „Inmortuos sum“. Als ich sah, dass Ihr ein neues Album am Start habt, war ich überrascht, ich hatte Mortuus Infradaemoni längst als nicht mehr existent angesehen, ich denke, so ging es einigen. Was passierte nach dem letzten Album „Imis Avernis“ von 2009, daß eine Band nach 13 Jahren noch mal mit einem neuen Album aufwartet ist ja nicht gerade die Regel…  

Profanatitas: Hallo Gerald, danke für die Worte! Da sieht man mal wie schnell man totgesagt wird, wenn man nicht ständig irgendwelche belanglosen Infos hinausposaunt... Aber es stimmt schon, wir waren noch nie besonders kommunikationsfreudig. Nach 'Imis Avernis' ging's eigentlich so weiter wie auch nach dem ersten  Album; wir waren im Proberaum immer aktiv, mal mehr und mal weniger, dann kam leider auch mal das Leben oder eine kreative Blockade dazwischen. Dass das Album allerdings 13 Jahre brauchen würde, hätten wir auch nicht gedacht... Dafür ist es unser intensivstes und gewaltigstes Werk geworden. Großen Dank an Iron Bonehead für die Realisierung, vor allem auch für die Möglichkeit, es auf Vinyl zu veröffentlichen! Die Doppel-LP ist seit heute (8. Juni) draußen, und als Plattenliebhaber, der ich bin, könnte ich damit nicht zufriedener sein – geiles Teil!!

In 13 Jahren ist in der Black Metal-Szene viel passiert. Interessiert Ihr Euch für Neuerscheinungen, verfolgt Ihr, was so passiert oder lebt Ihr eher in eurem eigenen Kosmos und hört eher ältere Sachen? Welche Bands und Platten könnt Ihr empfehlen?

Nathaniel: Die Szene, oder was in der Welt musikalisch so alles passiert, interessiert mich rein gar nicht. Ich erinnere mich noch gerne daran, wie ich vor vielen Jahren jeden Monat dem "Rock Hard" entgegenfieberte, als erstes die Plattenkritiken gelesen und mir dann die 1-sen (absolut schlechte Kritik) gekauft habe...hahaha, das waren noch Zeiten. Darunter fällt auch "Wehrmacht" mit Alben wie Shark Attack oder Biermächt, total geniale Band, kam aber nie über eine 2 hinaus... Tja, lang ist´s her... Spaß beiseite. Das was damals geil war, ist heute immer noch geil. Aus dem Stegreif: Incubus, Carcass, oder Disharmonic Orchestra (kennt die noch jemand?), die erste Pungent Stench, "Misanthropy" von Protector, eine der unterbewertetsten Bands ever. Nazxul darf nicht fehlen und must have: Darkspace II! Und natürlich die alte norge connection, aber nur die alten! Was in keiner Plattensammlung fehlen darf: "Blood Fire Death"!

P: Für eine Szene haben wir uns nie großartig interessiert, weil dort grundsätzlich zu viel Substanzloses abgesondert wurde und sicherlich immer noch wird. Abgesehen davon, was mich selbst betrifft hatte ich schon immer meine eigenen Ansichten was 'den Black Metal' anbelangt, und die muss ich mit niemandem teilen weil privat und persönlich. Und wenn ich nichts eminent wichtiges zu sagen habe, dann halt ich lieber die Fresse, so sehe ich das. Das mag sicher hochtrabend klingen, aber wir waren von Anfang an darauf aus, unsere Musik für uns sprechen zu lassen, denn die sagt mehr aus als menschliche Worte es können. Insofern können und wollen wir das was die letzten 13 Jahre passiert ist, auch nicht kommentieren. Das heißt allerdings nicht, dass nicht auch Musik in unseren kleinen Kosmos vordringt, denn Black Metal ist ja nicht gleichbedeutend mit 'Black Metal-Szene'. Band- & Plattenempfehlungen? Hoho, nichts lieber als das! Ich bin ein Musiksüchtiger. Alte Klassiker und große Namen hier mal weggelassen und die Scheuklappen abgelegt, dafür ein paar teils unbekanntere (für mich aber nicht minder wichtige) großartige Scheiben, queerbeet durch die Musikwelt und die Jahrzehnte: Horrors of the Black Museum – Gold from the Sea / Kandor – Sigillum Sanctum Fraternitatis A:.A:. / Ejecutor – Maléfico soldado de Lucifer (Cass.EP) / Gorhoth – Honorvm / Black Grail – Demo 2021 / Baal Zebuth – We are Satanas / Nordlys – Reisen til den hoyes hall (Demo) / S.V.E.S.T. - Veritas diaboli manet in aeternum (EP) / Nazxul – Totem / Lord of the Command – beide Demos / StarGazer – Promo 1998 / Nyarlathotep – Nygturah et Shyutem (Demo) / Disörder – Beyond the Walls of Sleep (Demo) / Thergothon – Fhtagn-Nagh Yog-Sothoth (Demo) / Etnocidio – Promo 2006 / Zuul – 2009 Demo / Reverend Bizarre – Live at 'The Temple', Dublin 2006 / Univers Zero – Heresie / The Alan Parsons Project – Tales of Mystery and Imagination by Edgar Allan Poe / Tangerine Dream – Tangram / M87 – Noctilucent Threnody / 'Dead Man'-Soundtrack (von Neil Young) / Wytchfynde – The Awakening / Christian Mistress – To your Death / Pharaoh – Bury the Light / Mekong Delta – In a Mirror Darkly / Hexx – Morbid Reality / Extermination Angel – Invaders (Demo) / Zubirun – Maximum Hell Overdose / Trepanación – 'Libidinosa Profanación' & 'Reflejo Vomitivo'. Da kann ich ewig so weitermachen, hehe! Viel Spaß beim Suchen und Reinhören. 

Ihr habt ja schon eine eigene kleine Nische gefunden, finde ich. Einerseits sind da ganz viele traditionelle, kalte Black Metal-Elemente, andererseits ist Eure Musik durch die Vielseitigkeit, die teilweise Überlänge und die manchmal auch unkonventionelleren Strukturen wieder ganz anders. Wie seht Ihr das?

P: Ziemlich genauso, wir spielen 'Mortuus-Infradaemoni-Metal'... haha! Die 'traditionellen, kalten Black Metal-Elemente' fungieren - wohl eher unbewusst - als Grundgerüst, da das offenbar die Musik ist, die uns am stärksten geprägt und am intensivsten berührt hat. Alles andere resultiert aus unseren musikalischen Reibungspunkten, Gegensätzen und Übereinstimmungen, ohne dass wir da viel dran rumschrauben müssen wenn ein Song entsteht. Unsere Musik 'schreibt' sich quasi von selbst.

N: Kann ich nur zustimmen, es kommt halt "aus dem Bauch", ohne viel trara...

Erzählt mal was zum tollen Artwork. Wurde das extra für Euer Album gemacht, wer ist der Künstler?

P: Die kalligraphischen Artworks & Logos stammen von mir, die zwei großartigen Gemälde (bei der LP-Version Front- & Backcover, bei der CD-Version inneres Bild & Backcover) wurden von Rodrigo Pereira Salvatierra aus Chile mit Öl auf Leinwand exklusiv für das Album gemalt. Die Kommunikation mit ihm war leider etwas schwierig da er wohl ein ähnlicher Einsiedler ist wie wir, und das Hauptcover sieht auch etwas anders aus als ursprünglich konzipiert, aber es dünstet exakt die Stimmung der Musik aus – fremdartig und rätselhaft. Besser hätte es nicht werden können. Der Mann ist ein fantastischer Künstler!

Stört es Euch eigentlich, dass Mortuus Infradaemoni aufgrund Eurer Vergangenheit bei Lunar Aurora irgendwie oftmals bei der Hörerschaft als „ex-Musiker von Lunar Aurora“ etikettiert wurde? Zumal die Musik ja stilistisch ähnlich ist, eigentlich sollten auch alle Lunar Aurora-Anhänger mit Euch was anfangen können, lediglich das letzte Lunar Aurora-Album war ja dann etwas anders (wenngleich auch sehr gut).

P: Naja, 'Ex-Musiker von XY' ist für mich eher eine Zustandsbeschreibung als ein Qualitätsmerkmal – da war wohl jemand zu faul, sich mit unserer Musik auseinanderzusetzen und hat dann das Lunar Aurora-Etikett gezogen. Mich hat bei den damaligen Rezensionen, wenn ich sie mal gelesen hab, eher gestört, dass wir manchmal als 'Lunar Aurora -Sideproject' betitelt wurden, was Quatsch ist, weil schlecht recherchiert, da wir zu dieser Zeit ja beide länger schon nicht mehr bei Lunar Aurora waren. Unsere Vergangenheit dort hat uns hier und da sicher geholfen, die eine oder andere Tür zu öffnen (auch bei Hörern vermutlich), andererseits sind wir sein Anbeginn Mortuus Infradaemoni und nicht Lunar Aurora Version 2. Die Musik beider Bands unterscheidet sich meiner Meinung nach in vielen Punkten, aber jeder hat seine eigenen Ansichten. 

N: Das "Ex" ist mir egal, mich nervt nur, als "Lunar Aurora-Ableger" bezeichnet zu werden. Das einzige, was wir mit Lunar Aurora gemeinsam haben ist, dass wir beide auf Cold Dimensions unterwegs waren. Mich würde nur interessieren, mit wem wir verglichen werden würden, wenn nicht bekannt wäre, dass wir bei Lunar Aurora gespielt haben.

Ihr habt keine Facebook-Seite, finde ich grundsätzlich sehr sympathisch, gerade in Zeiten wo selbst angebliche Black Metal-Bands um „Likes“ betteln und Gewinnspiele auf solchen Plattformen veranstalten. Dass Ihr dennoch einige potenzielle Hörer nicht erreicht durch diese Abstinenz nehmt Ihr bewusst in Kauf, nehme ich an.

P: Nun, einige Leute können nicht ganz nachvollziehen, dass ich 'sowas von 80er' oder '90er' bin, haha! Aber ich bin generell ein recht analoger Mensch. Könnte man auch als rückwärtsgewandt bezeichnen, was heutzutage scheinbar ausschließlich negativ behaftet zu sein scheint, aber das ist mir wurscht. Das, was Du beschreibst ('Likes' etc.), stößt bei mir einfach nur auf Unverständnis, weil durch solches Verhalten eine etwaige von diesen Bands propagierte 'Black Metal-Ideologie' (wenn so etwas tatsächlich existiert) ad absurdum geführt wird, also frage ich mich was die eigentlich darstellen wollen. (Was wir darstellen, kann ich Dir genau sagen: hör Dir unsere Musik an und denk Dir Deinen Teil! Mehr muss nicht gesagt werden.) Dieses übersteigerte Maß an Selbstdarstellungswahn scheint mir schon zwanghaft und erinnert mich eher an die Musikmaschinerie wie z.B. Popmusik oder wie man das nennen mag, in der es nicht um Kunst, Ausdruck und Individualität geht sondern um Konsum und 'Gleichsein'.
Mit einem 'Underground-Gedanken' hat das jedenfalls nichts mehr zu tun. Je weniger ich über eine Band weiß, desto intensiver kann ich mich an die Musik heranwagen weil nichts die Aufmerksamkeit Störendes drumherum fliegt. Ein anderes Beispiel: letztens bekam ich einen Flyer für eine CD-Rerelease-Box eines berüchtigten norwegischen Ein-Mann-Projektes in die Hände, mit Albumcover-Puzzle als Bonusdreingabe... Ich meine, what the Fuck?! Da kann ich nur laut lachen, oder auch nicht wenn ich's recht bedenke. Transferier' das mal in die frühen norwegischen 90er, da würden buchstäblich Köpfe rollen! Ich weiß, man sollte vieles weniger engstirnig betrachten, aber das versteh' ich wirklich nicht mehr. Auch deshalb lehne ich diese sogenannten 'sozialen Medien' generell ab, weil das meiner Meinung nach vorwiegend Kanäle für Leute sind, die ansonsten kein Leben haben. Mancher nutzt diese Plattformen vielleicht tatsächlich rein um der Information willen, und nicht zur überbordenden Selbstdarstellung oder weilichmeinegeistigescheißenurdortabladen kannweilmirimrichtigenlebenkeinerzuhörenwillundichsowiesokeine freundehab, ich für meinen Teil jedoch möchte nicht Teil davon sein und werde es auch nicht werden. Sorry für die Schimpferei, aber ich bin nun mal kein besonderer Menschenfreund, das hat auch seine Gründe. Zurück zum Thema: was wir Patrick von Iron Bonehead wirklich hoch anrechnen, ist, dass er dahingehend keinerlei Druck auf uns ausübt (bei anderen Labels ist das sicher anders!), auch wenn das Fehlen einer Facebook- oder Instagram-Seite unsererseits durchaus die Absatzmöglichkeiten für unser Album schmälert, weil heutzutage wohl kaum mehr was ohne diese massive Internetpräsenz läuft und wir somit wahrscheinlich etwas (oder ziemlich) unter dem Radar laufen. Wir betreiben aber in eigener Sache auch noch etwas Promo, sozusagen auf die 'alte Art', mit Flyern und Mundpropaganda und so. Also Leute, schaut mal auf unsere Bandcamp-Seite, die ist auch gut! Hahaha! 

Ich habe noch ein älteres Interview mit Euch gefunden, in dem Ihr Live-Auftritte nicht ausschlosst. Ist diesbezüglich viel passiert, habt Ihr euch Session-Mitglieder geholt? Und steht in Zukunft etwas an?

P: Wir haben seit 2006 einige wenige Gigs gespielt, die alle auf ihre eigene Art großartig waren (obwohl ich für meinen Teil nicht besonders gern live spiele). Sindar von Lunar.Aurora hat uns da immer am Bass und zweiter Stimme unterstützt, war sehr geil. Ich glaube allerdings nicht, dass wir nochmal live spielen werden, unser letzter Gig ist elf Jahre her, und ein Schlagzeugerkörper wird nicht jünger... unsere Songs dagegen anstrengender!

N: Wir hatten einige Gigs, war wirklich geil, besonders in Arnheim das "Danach" (Gehenna rules!!), wir kommen ja aus dem tiefsten Bayern und sind deshalb einigermaßen trinkfest (mia fadrong hoid wos), wie auch Gehenna, war schon geil.... Live wird's uns wahrscheinlich nicht mehr geben, dafür haben die letzten Jahre des Verdrusses (ihr wisst was ich meine?) gesorgt.

Ich las in einem aktuellen Interview, dass zumindest einer von Euch sehr auf Lovecraft steht. Was ist an seinen Erzählungen so faszinierend, auch nach all der Zeit? Und welches ist Eure Lieblingserzählung? Der Fall Charles Dexter Ward? Schatten über Innsmouth? Ich finde gerade „Der Flüsterer im Dunklen“ was den Spannungsaufbau betrifft sehr gut...

P: Faszinierend daran ist auch eben genau das, 'nach all der Zeit': diese Erzählungen sind zeitlos. Sie sind wundersam, erschreckend, verwirrend, kolossal, ein unerschöpflicher Quell an Inspiration. Einzelne Geschichten herauszustellen spare ich mir, mein 'Warum' würde hier den Rahmen sprengen. Was ich auch sehr schätze, ist die völlige Entrücktheit einiger Geschichten von Clark Ashton Smith. Buchstäblich nicht von dieser Welt.

„Inmortuus sum“ müsste ja „Ich bin unsterblich“ bedeuten, wenn mich meine alten Lateinkenntnisse nicht im Stich lassen. Ist das eine gute Überschrift für die Thematik der Texte?

P: Unserer Schreibweise 'inmortuos sum' ist etwas abgewandelt, aber im Kern bedeutet es soviel wie 'ich bin nicht-tot'; das Albumcover kann man ebenfalls darauf beziehen: alles ist vergänglich und mündet in der letzten großen Frage, dem ewigen Tod – gleichzeitig ist der Tod aber auch immer eine Tür zu etwas anderem, unbekanntem. Im Grunde sind unser beider Texte rückblickend schon immer davon durchdrungen, nur in verschiedenen Ausprägungen und Ausdrucksformen.

Die letzten Worte gehören Euch!

P: Danke für das Interview und Dein Interesse! Das nächste Album ist schon in Arbeit, kommt dann in 15 Jahren... hahaha!